Qualitätsprobleme in der Kripo NRW - Folge 2: "Einführungsausbildung"
"Einführungsfortbildung"
01.04.2019 - Nachdem das Innenministerium offenbar bemerkt hatte, dass der „Nachwuchs“ für die Kriminalpolizei, der sich ohnehin nur noch aus lebensälteren Beamten der Schutzpolizei rekrutierte, deutlich fachlich, kriminalistische Defizite aufwies, entschloss sich das Innenministerium 2003/2004 über eine „Einführungsfortbildung“ für angehende Kriminalbeamte nachzudenken. Damit war der Berufszweig des Kriminalisten zum „Fortbildungsberuf“ degradiert. Was das für die Qualität der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung vor dem Hintergrund steigender Anforderung und neuer Kriminalitätsformen bedeutete, muss – so glaube ich – nicht näher erläutert werden. Aber immerhin, hat man es bemerkt. Eine Änderung der Fachhochschulausbildung in wieder zwei Bereichsstudiengänge kam allerdings nicht in Frage…
Und wieder der Kardinalfehler: 10 Wochen Theorie und 14 Wochen Praxis sollen den „Nachwuchs“ der Kripo für deren neue Aufgabe befähigen. Ein Blick in das Kalenderblatt des Polizeifortbildungsinstitutes macht deutlich, um welche Wissens- und Praxisvermittlung es geht… Der auf dem Titelbild gezeigte Inhalt beschreibt die grundsätzlichen Anforderungen an einen kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter. Legt man beide übereinander und berücksichtigt die zeitliche Beschränkung der Fortbildung auf 24 Wochen, darf sich niemand über Qualitätsfragen wundern. Die Verantwortung tragen die damalige Politik und die Führungskräfte im Innenministerium, nicht die in der Kriminalpolizei eingesetzten Beamtinnen und Beamten.
Es hat fast 10 Jahre gebraucht, bis das Innenministerium „bemerkt“ hat, dass eine Vielzahl von Beamtinnen und Beamten in der Kripo verwendet wurden, die seitens der Kreispolizeibehörden nicht zur Teilnahme an dieser Einführungsfortbildung gemeldet wurden und eine solche auch nicht absolviert hatten.
Die Gründe dafür: Die Kreispolizeibehörden waren seinerzeit nach dem GS-Modell organisiert. Dieses Modell (später dazu mehr) sah "eine einheitlich organisierte" Kriminalpolizei nicht mehr vor. Die Kripo stand unter der Leitung meist schutzpolizeilich sozialisierter Führungskräfte (Leiter Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (GS) geteilt in eine Zentrale Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) für schwerere Delikte (u.a. Mord, Sexualstraftaten und Organisierte Kriminalität) und für alle anderen Delikte dezentral auf der Ebene der Polizeiinspektionen (Ermittlungsdienst). Da die Kripo bereits damals unter Personalmangel litt, „leistete“ man es sich nicht, diese entsprechend des Erlasses fortzubilden, da sie für 6 Monate nicht für die tägliche Arbeit zur Verfügung standen. Zu dieser Zeit wurde ohnehin eine Vielzahl von Arbeitsstunden für die Einführung des Neuen Steuerungsmodells (NStM) vergeudet. Erschwerend kam hinzu, dass die Teilnahme an dieser Einführungsfortbildung den Behörden mit ca. 9.000 € pro Teilnehmer auf das Kontingent der gesamten Fortbildung fiktiv in Rechnung gestellt wurde.
Ergebnis: Kaum Teilnehmer, als es auffiel (es mangelte am Controlling) war es zu spät. Eine dringend erforderliche Nachschulung hätte die gesamte Fortbildung in der Polizei gesprengt. Deshalb befinden sich auch heute noch „Ermittler“ in der Kripo, die über keine Einführungsfortbildung verfügen.
Im Jahr 2014 erfolgte eine Überarbeitung des Erlasses zur „Einführungsfortbildung“. Der Punkt 4 dieses Erlasses, nach dem eine zwingende Teilnahme und Lernerfolgskontrolle zu erfolgen hat und bei zweimaligen „Nichtbestehen“ eine weitere Verwendung in der Kripo ausgeschlossen war, wurde in den Gremien des Innenministeriums bis hin zum Polizeihauptpersonalrat heftig und kontrovers diskutiert. Das wollte man „eigentlich“ nicht, war es doch mit dem unausgesprochenen Bekenntnis zu den Unterschieden zwischen Wachdienst und Kripo verbunden. Insbesondere die Lernerfolgskontrolle mit der Konsequenz der Versagung einer Verwendung in der Kripo rief besonderen Protest der GdP hervor.
Dennoch setzte sich der Landeskriminaldirektor, Leiter der Gruppe „Kriminalität“ im Innenministerium durch. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt in Richtung Qualifizierung der Kripo.
Für tiefergehende Einblicke dient ein Besprechungsprotokoll der Bezirksregierung Köln vom 01.04.2004 bei, in dem offenbar schon damals deutlich wurde, dass die Ausbildung an der FHöV (Laufbahnabschnitt II) nicht für künftige Ermittlungsbeamte nicht ausreiche:
Zitat: …die Inhalte der Fortbildungskonzeption aufzeigen, dass die derzeitige Ausbildung zum Laufbahnabschnitt II für künftige Ermittlungsbeamte nicht die gewünschten qualitativen Standards erbringt…
Folge 3 beschäftigt sich mit dem Thema "Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV)" und erscheint in Kürze...