Qualitätsprobleme in der Kripo NRW - Folge 3: "Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV)"
"Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV)"
04.04.2019 - In jeder Behörde des Öffentlichen Dienstes und in jedem Wirtschaftsbetrieb spielt die Verteilung des Personals eine erhebliche, erfolgskritische Rolle.
Seit vielen Jahren erfolgt die Verteilung des vorhandenen Personals in der Polizei NRW aufgrund der Leitlinien der so genannten „Belastungsbezogenen Kräfteverteilung (BKV)“. Diese Leitlinien oder Grundsätze berücksichtigen nicht die im Laufe der Jahre veränderten „Arbeitsaufwände“, sondern berücksichtigen lediglich die Anzahl von Verkehrsunfällen und Fallzahlen der Kriminalität sowie bestimmte „Sockelstellen“ für besondere Aufgaben (u. a. Polizeihundertschaften, Behörden mit besonderen Objektschutzaufgaben, Finanzermittler, Organisierte Kriminalität). Eine an den tatsächlichen Arbeitsaufwänden orientierte Verteilung, die besonders für die Kriminalpolizei notwendig wäre, gibt es nicht. Kurz gesagt: Zugrunde gelegt wird der Durchschnitt von 5 Jahren Unfallzahlen und Fallzahlen der Kriminalität, eine analytische Bewertung der Bearbeitungsaufwände gibt es nicht. Vorschläge, dies zu ändern und eine solche Bewertung vorzunehmen, wurden abgelehnt.
Betrachtet man die Entwicklung der Fallzahlen seit 1995 bis 2016, wird man feststellen, dass bei kaum veränderter Personalstärke der Kripo rund 200.000 Straftaten mehr zu bearbeiten waren. Berücksichtigt man den deutlichen Mehraufwand zur Aufklärung fast aller Delikte (IT-Einsatz der Straftäter, Beweisanforderungen, Spurensicherung, DNA, Staatsschutzermittlungen pp.) wird mehr als deutlich, dass auch die laut PKS 2018 rückläufige Kriminalität, diese Belastung der Kripo nicht wettmacht.
Der Altersstrukturbericht aus 2009 liegt dem Verfasser vor. Beachtlich, dass der Auftrag aus dem Jahr 2004 stammt, der Bericht mit Stand 2009 datiert ist…
Die Zusammensetzung dieser Projektgruppe, die am 01.02.2005 ihre Arbeit aufnahm, spricht ebenfalls für sich: Unter den 13 Mitgliedern befindet sich 1 Kriminaloberrat…
In den Ausführungen von Seite 48 bis 51, Punkt 2.8.2, befasst sich die Projektgruppe mit dem Thema „Qualifikationen“ für den Ermittlungsbereich, so die Bezeichnung. Auffallend auch der Begriff „Generalistenbereich“ für u. a. Raubstraftaten und Betrug.
Wenn von Personalzuweisung die Rede ist, sollte man wissen, dass mit der immer noch gültigen BKV nur das vorhandene Personal verteilt wird. Auf der Grundlage des Durchschnitts (5 Jahre) der Verkehrsunfallzahlen und den Fallzahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik. Hierbei fallen alle Tätigkeiten der Kriminalpolizei heraus, die nicht Eingang in die PKS finden. Und diese Zahl ist nicht gering. Darunter eine Vielzahl an Vermisstensachen, Todesermittlungsverfahren, die nicht zur Feststellung einer Straftat führen, dennoch bearbeitet werden müssen. Und nicht zu vergessen: Straftaten, die aus dem Ausland heraus in Deutschland begangen werden, hohe Arbeitsaufwände mit sich bringen, sind ebenfalls nicht Bestandteil der Polizeilichen Kriminalstatistik und werden nicht bei der Personalverteilung berücksichtigt.
Besonders kurios ist die Tatsache, dass die Behörden, die über 5 Jahre ihre Fallzahlen senken konnten, nach den Kriterien der BKV Personal verlieren…
Derzeit soll sich eine Projektgruppe im Ministerium mit einer Überarbeitung der BKV beschäftigen. Ein Ergebnis oder Zwischenstand ist dem Verfasser nicht bekannt.
Mit Beginn des Jahres 2013 musste die rot-grüne Landesregierung mit Innenminister Ralf Jäger er- und bekennen, dass die Überalterung der Kriminalpolizei in NRW so offenkundig wurde, dass Handeln zwingend wurde. Mit einem Erlass, der entsprechende Quoten zur Verjüngung von Schutz- und Kriminalpolizei vorsieht, soll bis 2021 eine einigermaßen solide Altersstruktur erreicht werden. Inwieweit die Vorgaben bis heute erreicht bzw. umgesetzt wurden, sind dem Autor nicht bekannt.
Folge 4 beschäftigt sich mit der damaligen "Neuorganisation der Kreispolizeibehörden", deren fatale Auswirkung auf die Kripo und erscheint in Kürze...
Auszug aus dem Altersstrukturbericht von 2005 - 2009 (IM-Projektgruppe)
Beachtliche Feststellungen, wobei sich die Frage stellt, woher die Grundkenntnisse für eine kriminalistische Arbeit kommen sollen...
Auszug aus dem Altersstrukturbericht von 2005 - 2009 (IM-Projektgruppe)
Und so geht es weiter, durchaus gute Ansätze und Feststellungen, nur niemand wollte sie hören... Sie passten einfach nicht ins Bild des Generalisten...
Einstieg in den Generalistenbereich mit 50??? Man muss wissen, dass es sich bei diesem von der Projektgruppe genannten Bereich immerhin noch um Delikte der Eigentumskriminalität, Betrug, Körperverletzung handelt...