Der Fall Lügde - Rheinische Post mahnt Strukturreform an
27.03.2019 - In der heutigen Kolumne "Hier in NRW" der Rheinischen Post mahnt der Autor Thomas Reisener u. a. eine Strukturreform der Polizeiorganisation in Nordrhein-Westfalen an. Den ersten Zeilen seiner Kolumne kann man noch folgen, die Ausführungen zu einer "zerklüfteten" Struktur der Polizei in NRW, die Feststellungen, NRW habe die größte Anzahl an Polizeibehörden gegenüber allen anderen Bundesländern und die Frage, warum "auf dem Land Politiker die besseren Polizeichefs sein sollen, während die großstädtischen Präsidien von Polizisten geführt werden", zeigen erneut die mangelnde Recherche und damit mangelndes Wissen über die tatsächlichen Verhältnisse in der Polizei NRW.
Die Integration der Polizeien von 27 Landkreisen in 18 Polizeipräsidien würde einen Kraftakt bedeuten, der die Polizei in ihrem Handeln über einen langen Zeitraum erheblich behindern, wenn nicht sogar arbeitsunfähig machen würde. Darüber hinaus würde die Verringerung von Behörden eine Vergrößerung von Führungsspannen nach sich ziehen, der so genannte "Overhead" würde deutlich größere "Mittelinstanzen" in der Personalführung und der Entwicklung von Strategien bedeuten. Insbesondere die großen Flächen der Landkreise wie etwa Kleve oder Wesel mit ihren unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen zu Großstädten kämen dabei unter die Räder. Selbst Experten in der Organisationslehre sehen die großen Führungsspannen sehr unterschiedlich. Entscheidend für erfolgreiche Polizeiarbeit sind in erster Linie die Führungskräfte des Höheren Dienstes, ihre Führungsfunktion und die daraus resultierende Beratungsfunktion der Behördenleiter sind ein erfolgskritischer Faktor.
Thomas Reisener irrt, wenn er feststellt, dass "die großstädtischen Behörden grundsätzlich von Polizisten geführt werden". Grundsätzlich bedeutet, dass es Ausnahmen gibt! Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Grundsätzlich werden Präsidien von "Zivilisten" geführt, die Ausnahmen gibt es u. a. in Essen, Wuppertal und Köln. Und das auch erst in jüngerer Vergangenheit. Und auch bei diesen Präsidenten gilt der aus der Geschichte entstandene Grundsatz der zivilen Führung, sie verlieren ihren "Vollzugsstatus" und werden zu politischen Beamten...
Um zukünftig Fälle wie "Der Fall Lügde" zu vermeiden, sind zwei Maßnahmen dringend erforderlich:
1. Eine Reform der Aus- und Fortbildung unserer Kriminalisten, weg von der "Einheitsausbildung" wie sie "Rot-Grün" vor mehr als 20 Jahren eingeführt hat, zu einer an den Kernaufgaben orientierten Ausbildung im Gehobenen und Höheren Dienst. Anfängliche gemeinsame Ausbildung in übergreifenden Fächern, danach eine Spreizung in die jeweiligen theoretischen und praktischen Bereiche von Schutz- und Kriminalpolizei. Die Verwendung in den jeweiligen Bereichen erfolgt nach der Ausbildung, die deliktsabhängige Fortbildung erfolgt im Rahmen weitergehender Spezialisierung.
2. Um möglicher Überforderung kleinerer Behörden zu begegnen, sollte die "Verordnung über die Kriminalhauptstellen" angepasst werden. Diese, seit vielen Jahren bestehende Verordnung regelt die Zuständigkeiten größerer Polizeipräsidien u. a. für Kapitalverbrechen, Staatsschutzdelikte und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität für jeweils zugewiesene Landkreisbehörden. Die Aufnahme solcher Umfangsverfahren wie in Lügde in diese Verordnung wäre ein entscheidender Schritt, Überlastung und Überforderung zu vermeiden. Gleichwohl muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies sich auch auf die an Verkehrsunfallzahlen und Fallzahlen der Kriminalität orientierten "Belastungsbezogene Kräfteverteilung" auswirken wird. Insoweit steht und fällt der Erfolg derartiger Veränderungen selbstredend auch mit dem Personalzuwachs in den kommenden Jahren.
(Hinweis: Die Zitate stammen aus der Rheinischen Post vom 27.03.2019, Seite A2 unten)