Silvesternacht in Köln - die Sache mit der WE-Meldung
26.04.2016 - Ja, die Sache mit der WE-Meldung (Meldung Wichtiger Ereignisse) gerät nun nicht zuletzt durch die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Silvesternacht in Köln in den Fokus der Öffentlichkeit. Wie der Kölner Express berichtet, sollen nicht nur der Lagedienst des Innenministeriums und dessen enger Führungszirkel, sondern auch die Staatskanzlei bis ins Vorzimmer der Amtsleiterin bereits am Mittag des 01.01.2016 über die Vorgänge in der Silvesternacht informiert gewesen sein. Nur die beiden "Chefs", also Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Innenminister Ralf Jäger nicht? Kaum zu glauben und wenn, macht es die Abläufe im Ministerium und der Staatskanzlei nicht eben besser.
Man darf sich getrost fragen, wofür ist eine solche WE-Meldung eigentlich nutze, wenn nicht zur Information der Landesregierung über Vorgänge, die die Öffentlichkeit besonders beunruhigen (Schusswaffengebrauch durch Polizeibeamte, Ausschreitungen bei Demonstrationen, schwere Verkehrsunfälle, Straftaten von Bedeutung) und entsprechendes Medieninteresse hervorrufen?
Eigens dafür gibt es seit Jahrzehnten einen solchen Meldedienst. Meldepflichtig sind die Kreispolizeibehörden, und zwar an das Innenministerium! Dort unterhält man "rund um die Uhr" einen Lagedienst, der diese Meldungen auswertet und an die Hausspitze sowie weitere Behörden und Funktionsträger steuert; einzig zu dem Zweck, die Landesregierung "sprachfähig" zu machen.
Alle Kriterien des Erlasses zur WE-Meldung treffen für die "sexuelle Gewalt" in der Silvesternacht zu. Die bisherigen Vernehmungen von Zeugen im Untersuchungsausschuss machen eines deutlich: Die Vorgänge der Silvesternacht waren per WE-Meldung am Mittag des 01. Januar 2016 bis in die Hausspitzen bekannt - die weiteren Lagefortschreibungen müssen den Kenntnisstand entsprechend verdichtet haben.
Wenn sich nun Spitzenbeamte im Innenministerium und der Staatskanzlei eilfertig für die MP'in und den Innenminister "in den Staub geworfen haben", in dem sie sich vor dem Ausschuss einer Fehleinschätzung der Lage bezichtigen, in dem sie auf die Weiterleitung der Informationen an MP'in und IM verzichtet haben, wird die Sache mit der WE-Meldung nicht besser. Warum WE-Meldungen dann nicht ganz abschaffen? Dann kann die Landesregierung immerhin wahrheitsgemäß erklären, sie habe nichts gewusst...
Auch die aktuelle Erklärung des Büroleiters von Hannelore Kraft lässt Zweifel an der Regierungsfähigkeit aufkommen. Er kannte die WE-Meldung, in der bereits von sexuellen Übergriffen und einer Vergewaltigung durch eine Gruppe von ca. 40 - 50 "Nordafrikanern" die Rede war, verließ sich dann aber ohne Nachfrage auf die verharmlosende Pressemeldung des Polizeipräsidiums Köln. Darin war die Rede von einer "entspannten Lage in der Silvesternacht". Hallo? Hätte es nicht spätestens bei dieser Diskrepanz klingeln müssen?
All dies und die Verweigerung der Herausgabe weiterer Unterlagen (E-Mails, interne Berichte) mit der Begründung einer Gefährdung der Regierungsfähigkeit lässt einen den Atem stocken...
Die Regierungsfähigkeit in Sachen Innerer Sicherheit ist bereits erheblich gestört. Wie anders erklärt es sich, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss rechtliche Schritte einleiten muss, um dem verfassungsgemäßen Auftrag zur "Kontrolle der Exekutive durch das Parlament" gerecht werden zu können?
Transparenz politischen Handelns sieht anders aus, so jedenfalls verspielen Kraft und Jäger weiteres Vertrauen der Öffentlichkeit.