Kriminalstatistik 2004

Kriminalität in NRW auf bisher höchstem Niveau
Erstmals 1,5 Millionen Straftaten überschritten

Aufklärung stagniert bei nur 47,8% - NRW im letzten Drittel beim Ländervergleich

"Tatort Internet" Immer interessanter für Straftäter

Düsseldorf, 04.03.2005 - "Mit der Vorlage der Kriminalstatistik 2004 werden erneut die Defizite in Organisation, Aus- und Fortbildung sowie des nicht optimalen Personaleinsatzes, mit der die Polizei und insbesondere die Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen zu kämpfen haben, mehr als deutlich. Die am 11. Januar 2005 von Innenminister Dr. Behrens erläuterte Absicht, die Polizei des Landes neu zu organisieren, erhält damit neue Nahrung und Bedeutung. Nur mit einer klugen, aufgabenorientierten Organisation der Polizei und entsprechend schlanker Führung, lässt sich die Entwicklung stoppen". Der Innenminister muss alles daran setzen, dieses anspruchsvolle Projekt zeitnah zu einem Ergebnis zu führen", erklärte der BDK-Landesvorsitzende Wilfried Albishausen heute in Duisburg.

"Erschreckend ist nicht nur der anhaltende Anstieg der Gewaltkriminalität und der Betrugsdelikte, sondern auch der "Tatort" Internet, der zunehmend von Straftätern genutzt wird. Diesen Bereichen haben Polizei und Justiz immer weniger entgegen zu halten. Die Hard- und Softwareausstattung der nordrhein-westfälischen Polizei ist zwar quantitativ gut, die Vielzahl der zum Teil nicht kompatiblen Anwendungen und Systeme binden jedoch Arbeitszeit, die unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Tatort und in der Vernehmung fehlen", zeigte sich Albishausen mehr als besorgt.

Die Aus- und Fortbildung der nordrhein-westfälischen Polizei lässt "frühe Spezialisierung" und eine dringend notwendige "Expertenpolizei" nicht zu. Unsere Mitarbeiter sind willig und engagiert; lange Wege über Wachdienst und den Einsatz in den Polizeihundertschaften verhindern "Spezialkarrieren" für Tatortarbeit, Ermittlung und Vernehmung von Straftätern. Die jungen "Kriminalisten" brechen uns weg, "Kriminalopas bekämpfen die Kriminalität ihrer Enkel", mahnte der Landesvorsitzende Wilfried Albishausen in Duisburg an.

Gewaltkriminalität (Körperverletzung und Raub Steigerung + 2,5%)

Bereits seit Jahren bereitet die Steigerung der Gewaltdelikte insbesondere durch Jugendliche und Heranwachsende Polizei und Justiz erhebliche Sorgen. Sie ist offensichtlich von dem Bewusstsein geprägt, dass die Anwendung zum Teil erheblicher Gewalt ein adäquates Mittel ist, sich in unserer Gesellschaft durchzusetzen. Dabei geht es insbesondere bei den Raubdelikten nicht um die Beseitigung "klassischer" Armut, sondern darum, sich in den Besitz "gesellschaftlicher Statussymbole wie Handys, Bekleidung besonderer "anerkannter" Marken und Hersteller zu bringen. Diesem Phänomen stehen Polizei und vor allem die Justiz allerdings hilflos gegenüber. Erziehungsmaßregeln und Arreste nach dem Jugendstrafrecht werden von den Betroffenen soweit überhaupt verhängt als "Fun-Events" empfunden, von Erziehung und Therapie keine Rede. Hier müssen die Maßnahmen der Justiz mit Freizeitarresten früher einsetzen (Warnschußarrest), nicht erst, wenn der Jugendliche sich zum Straftäter bereits entwickelt hat.

Die Fallzahlen und der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden bei Straßenraub (72,3%), Gefährliche und Schwere Körperverletzung auf öffentlichen Wegen und Plätzen (53,1%), Handtaschenraub (58,6%) und Taschendiebstahl (51,8%) sowie beim Automatendiebstahl (58%) wie auch die "Einstellungspraxis der Justiz" (2/3 aller Delikte werden eingestellt) sprechen für sich. "Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft und für eine zu weit abgesetzte Politik", sagte Albishausen gegenüber Pressevertretern in Duisburg.

Sonderauswertung "Spätaussiedler"

Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2004 trifft erstmals Aussagen bezüglich des strafrechtlichen Verhaltens von Spätaussiedlern. Vergleichszahlen der Vorjahre liegen nicht vor, dennoch zeigen die jetzt vorliegenden Ergebnisse, was aus der polizeilichen Praxis schon lange bekannt ist. Erhebliche Integrationsprobleme hervorgerufen durch kulturelle und sprachliche Barrieren führen zu Perspektivlosigkeit und damit zu strafbarem Verhalten (11.825 Tatverdächtige) Davon waren knapp die Hälfte unter 21 Jahre alt. Keine Arbeit, kein Einkommen fördern die Bereitschaft Ladendiebstähle zu begehen, um sich wenn auch strafwürdig am "Wohlstand" der Gesellschaft zu beteiligen. Aber auch bei Raubüberfällen, Gefährlicher und Schwerer Körperverletzung sowie bei Rauschgiftdelikten traten sie deutlich häufiger in Erscheinung bezogen auf alle erfassten Tatverdächtigen der PKS 2004. Auffällig, aber auch symptomatisch ist der hohe Anteil derer, die ihre Straftaten unter Alkoholeinfluss begehen. Die nunmehr zahlenmäßig belegte Entwicklung ist nicht neu, um so mehr ist die Politik in NRW gefordert, endlich etwas zur Integration, vor allem zur Sprachausbildung und beruflichen Förderung zu tun. Einmal entwickelte kriminelle Karrieren lassen sich so unsere kriminologischen Erfahrungen nicht mehr umdrehen.

Wohnungseinbruch/Kraftfahrzeugaufbrüche

"Die Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruch mit nur noch landesdurchschnittlich 15,9% zeigt das ganze Dilemma einer verfehlten Polizeiorganisation, die noch immer mit dezentraler Strategie versucht, zentral agierende Einbrecherbanden mit hoher Mobilität und einer technischen Ausstattung, wie wir sie uns für die Kriminalpolizei wünschen würden, dingfest zu machen", erklärte Wilfried Albishausen in Duisburg. In den Behörden, in denen massiv mit leistungsstarken, zentralen kriminalpolizeilichen Organisationen dagegen gehalten wird, haben sich bereits erste Erfolge eingestellt. Leider machen nicht alle Behörden von ihrem "Gestaltungsspielraum" hinsichtlich ihrer Organisationsgewalt Gebrauch.

Während der Wohnungseinbruch mit 0,4% (43.198 Fälle) nahezu stagniert, sind die Kraftfahrzeugaufbrüche leicht gesunken (-1,5% bei 141.715 Fällen). Die Aufklärungsquote beträgt hier nur noch 7,5%. Peinliche Ergebnisse, wenn man davon ausgeht, dass hierbei durch die 41.500 Fälle zum Teil erhebliche Schäden (Handys, Navigationsgeräte, Airbags und Laptops) angerichtet werden. Die sehr unterschiedlichen Fallzahlen in den einzelnen Bezirksregierungen deuten auf "wandernde" Tätergruppen hin, die offensichtlich sehr sensibel auf punktuelle Aktivitäten der Polizei reagieren. Dabei tritt ein Verdrängungseffekt ein, da es landesweit kein auf einander abgestimmtes Bekämpfungskonzept gibt.

Noch immer fehlt es in Nordhrein-Westfalen an einer flächendeckenden Tatortarbeit von Spezialisten, die die Spurenlage auswerten und damit die Grundvoraussetzung einer sattelfesten Beweisführung im Strafverfahren gewährleisten. "Uns fehlen Spezialisten an allen Ecken und Kanten, eine nur schleppend beginnende Fortbildung für "Neueinsteiger" in den Kriminalkommissariaten hilft nicht weiter. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen wurden ins "kalte Wasser" geworfen, Aus- und Fortbildung wurde ihnen vorenthalten."

Die Initiative der Landesregierung, die DNA zur auszuweiten und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand durch eine "Freiwilligkeitsregelung" bei der Einstellung in die DAD zu minimieren, begrüßt der BDK ausdrücklich. Umso schlimmer, wie eine geeignete Maßnahme zur Verbrechensaufklärung und zur Vorbeugung im politisch ideologischen Raum immer noch mit fadenscheinigen Argumenten "niedergemacht" wird. Wer den Bürgerinnen und Bürgern mehr Angst vor dem Staat als vor den Straftätern suggeriert, muss sich nicht wundern, wenn Nordrhein-Westfalen ein "El Dorado" für Straftäter bietet.

Betrug/Internetkriminalität (Steigerung um bis zu 23%)

Das Internet mit allen seinen Vorteilen für unsere heutige "Wissensgesellschaft" ist nicht neu. Um so erstaunlicher, dass Politik und die "Vordenker" in der Polizei die Entwicklung auch krimineller Nutzung des Netzes mehr oder weniger verschlafen haben. "Wir gehen offensichtlich nicht mehr analytisch an Straftaten und Straftäter heran, so hätte vor Jahren schon deutlich werden müssen, dass das Internet auch zum Tummelplatz für Kriminelle wird. Kinderpornografie, Erpessungen, Geldwäsche, Computersobatage und natürlich auch reichliche Betrugshandlungen sowie ein riesiger Hehlermarkt kennzeichnen denn auch das Bild des Internets, erläuterte Albishausen in Duisburg. "Auktionshäuser" wie beispielsweise Ebay mit einer Vielzahl synonymer Nutzer bleibt weitgehend unbeachtet. Mangels einer Zentralstelle, die Fahndung im Netz betreiben sollte, finden Wohnungs- und Autoaufbrecher immer noch zunehmend einen ungestörten Raum, ihre Beute gewinnbringend "an den Mann" zu bringen.

Verlässliche Zahlen über die Nutzung des Internets für Straftaten liegen mangels differenzierender Erhebungen im Rahmen der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht vor. Dennoch wissen wir aus der Praxis, dass zunehmend Computer von Straftätern zur Begehung von Straftaten genutzt werden. Nur wenige Mitarbeiter stehen den Behörden zur Auswertung umfangreicher Daten auf sichergestellten Festplatten zur Verfügung. In einigen Behörden betragen die Rückstände bereits mehr als ein Jahr. Der Mangel an zeitnaher Beweisführung wirkt sich natürlich auch auf die Strafverfahren und deren Ausgänge negativ aus. Verfahrenseinstellungen mangels zeitnaher Überführung sind die Folge.

"Während sich Straftäter die Begehung der Straftaten über das Internet immer leichter machen, beschäftigt sich die Polizei zunehmend mit sich selbst. Die mühsame Einführung einer flächendeckenden Vernetzung der Polizei und die damit verbundene Softwareentwicklung, die schon seit geraumer Zeit wenig "anwenderfreundlich" ist, bindet Personal und Zeit, die uns bei der Kriminalitätsbekämpfung fehlen. Zunehmend verbringen Beamtinnen und Beamte mehr Zeit vor dem PC als am Tatort und mit dem Täter", skizziert der BDK-Landesvorsitzende die von vielen Mitarbeitern als "Flickenteppich" empfundene ADV-Topografie in Nordrhein-Westfalen abschließend in Duisburg.

Für Rückfragen: 0173/5437253
Landesvorsitzender Wilfried Albishausen

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