Kriminalstatistik 2005
Kriminalität in NRW gesunken aber immer noch auf hohem Niveau
Düsseldorf 06.03.2006. "Um von einer Trendwende sprechen zu können, ist es noch zu früh. Erfreulich, dass wir weniger Wohnungseinbrüche und Diebstähle aus Kraftfahrzeugen zu verzeichnen haben. Die nur geringe Steigerung der Aufklärungsquote auf 49,3% (+ 1,4%) zeigt jedoch, dass bei der Kripo-Organisation landesweit noch einiges im Argen liegt. Nur gut ausgebildete Kriminalistinnen und Kriminalisten können Straftäter ermitteln, beweiskräftig überführen und damit die Aufklärungsquote erheblich beeinflussen", erklärte der BDK-Landesvorsitzende Wilfried Albishausen heute in Düsseldorf. Nur erkannte, überführte und durch die Justiz sanktionierte Straftäter lassen sich von weiteren Straftaten abhalten".
"Erschreckend ist nicht nur der anhaltende Anstieg der gefährlichen und schweren Körperverletzung (+5,6%), des Warenkreditbetruges (+20%), sondern auch der "Tatort" Internet (+18%), der zunehmend von Straftätern in vielen Facetten genutzt wird. Diesen Bereichen haben Polizei und Justiz immer weniger entgegen zu halten. Die Hard- und Softwareausstattung der nordrhein-westfälischen Polizei ist zwar quantitativ gut, die Vielzahl der zum Teil nicht kompatiblen Anwendungen und Systeme binden jedoch Arbeitszeiten, die unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Tatort und in der Vernehmung fehlen", zeigte sich Albishausen mehr als besorgt.
Gleichwohl hat die neue Landesregierung insbesondere Innenminister Dr. Wolf eine leichte Trendwende eingeleitet. Unnütze Arbeitszeitbuchungen und Verwaltungsaufgaben wurden abgeschafft. Weiterer Bürokratieabbau muss möglichst schnell folgen, damit sich die Polizei wieder auf die Kernaufgaben konzentrieren kann.
Auch die vom Innenministerium im vergangenen Jahr geforderten Sicherheitsanalysen der Kreispolizeibehörden haben dazu geführt, dass sich die Behördenleitungen intensiver mit den Schwachstellen ihrer Organisation auseinandergesetzt haben. Während die Landratsbehörden Steinfurt, Soest, Viersen und der Oberbergische Kreis nunmehr wieder eine Kriminalpolizei unter einer einheitlichen Führung einführen werden, gibt es immer noch Behörden wie beispielsweise Duisburg und Dortmund , die an den alten Zöpfen einer dezentralen Kripo auf "Stadtteilebene" festhalten wollen. Die Aufklärungsquoten unter anderem beim Kraftfahrzeugaufbruch von unter 5% sprechen dabei allerdings für sich.
Darüber hinaus lässt die Aus- und Fortbildung der nordrhein-westfälischen Polizei nach wie vor "frühe Spezialisierung" und eine dringend notwendige "Expertenpolizei" nicht zu.
"Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind willig und engagiert. Lange Wege über den Wachdienst und der Einsatz in den Polizeihundertschaften verhindern "Spezialkarrieren" für Tatortarbeit, Ermittlung und Vernehmung von Straftätern. Die jungen "Kriminalisten" brechen uns weg, "Kriminalopas bekämpfen die Kriminalität ihrer Enkel", mahnte der Landesvorsitzende Wilfried Albishausen in Düsseldorf .
Gewaltkriminalität (Körperverletzung Steigerung + 5,6%)
Bereits seit Jahren bereitet die Steigerung der Gewaltdelikte insbesondere durch Jugendliche und Heranwachsende Polizei und Justiz erhebliche Sorgen. Sie ist offensichtlich von dem Bewusstsein geprägt, dass die Anwendung zum Teil erheblicher Gewalt ein adäquates Mittel ist, sich in unserer Gesellschaft durchzusetzen. Dabei geht es insbesondere bei den Raubdelikten nicht um die Beseitigung "klassischer" Armut, sondern darum, sich in den Besitz "gesellschaftlicher Statussymbole wie Handys, Bekleidung besonderer "anerkannter" Marken und Hersteller zu bringen. Diesem Phänomen stehen Polizei und vor allem die Justiz allerdings hilflos gegenüber. Erziehungsmaßregeln und Arreste nach dem Jugendstrafrecht werden von den Betroffenen soweit überhaupt verhängt als "Fun-Event" empfunden. Von Erziehung und Therapie ist keine Rede. Hier müssen die Maßnahmen der Justiz mit Freizeitarresten früher einsetzen (Warnschußarrest), nicht erst, wenn der Jugendliche sich bereits zum Straftäter entwickelt hat.
Projekte wie beispielsweise in Mönchengladbach zur Prävention jugendlicher Intensivtäter (JID), in dem Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt eng zusammenarbeiten, um repressiv und präventiv gegen jugendliche Intensivtäter vorzugehen, sind beispielgebend und erfolgreich.
Die nunmehr erklärte Absicht der Landesregierung weitere 600 Planstellen bei den Richtern und Staatsanwälten abzubauen ist skandalös. Die ohnehin überlastete Justiz wird einer zeitnahen Bearbeitung der Strafermittlungsvorgänge nicht mehr nachkommen können. Die Folge: Jugendliche Straftäter erkennen, dass sich Straftaten lohnen und werden weitere begehen. Dies führt zu einer weiteren Belastung der Justiz und volkwirtschaftlichen Schäden nicht abzusehenden Ausmaßes. Es scheint, als gebe man einen Teil einer ganzen Generation auf .
Die Fallzahlen und der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden bei Raubdelikten (59%), Gefährliche und Schwere Körperverletzung auf öffentlichen Wegen und Plätzen (54,0%) wie auch die "Einstellungspraxis der Justiz" (2/3 aller Delikte werden eingestellt) sprechen für sich. "Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft und für eine zu weit abgesetzte Politik", sagte Albishausen gegenüber Pressevertretern in Düsseldorf.
Wohnungseinbruch/Kraftfahrzeugaufbrüche
"Die Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruch mit nur noch landesdurchschnittlich knapp 15% zeigt das ganze Dilemma einer durch die ehemalige rot-grüne Landesregierung verfehlten Polizeiorganisation, die auch heute noch in weiten Teilen des Landes mit dezentraler Strategie versucht, zentral agierende Einbrecherbanden mit hoher Mobilität und einer technischen Ausstattung, wie wir sie uns für die Kriminalpolizei wünschen würden, dingfest zu machen", erklärte Wilfried Albishausen in Düsseldorf. In den Behörden, in denen massiv mit leistungsstarken, zentralen kriminalpolizeilichen Organisationen dagegen gehalten wird, haben sich bereits erste Erfolge eingestellt. Leider machen nicht alle Behörden von ihrem "Gestaltungsspielraum" hinsichtlich ihrer Organisationsmöglichkeiten Gebrauch.
Die Fallzahlen des Wohnungseinbruchs (auf 38.400) und des Diebstahls aus Kraftfahrzeugen sind mit -11% erheblich gesunken. Die Aufklärungsquote liegt beim Kraftfahrzeugaufbruch jedoch deutlich unter 10%. Peinliche Ergebnisse, wenn man davon ausgeht, dass hierbei zum Teil erhebliche Schäden (Handys, Navigationsgeräte, Airbags und Laptops) angerichtet werden. Die sehr unterschiedlichen Fallzahlen in den einzelnen Bezirksregierungen deuten auf "wandernde" Tätergruppen hin, die offensichtlich sehr sensibel auf punktuelle Aktivitäten (Schwerpunkteinsätze wie u. a. in Köln) der Polizei reagieren. Dabei tritt ein Verdrängungseffekt ein, da es landesweit kein auf einander abgestimmtes Bekämpfungskonzept gibt.
Noch immer fehlt es in Nordhrein-Westfalen an einer flächendeckenden Tatortarbeit von Spezialisten, die die Spurenlage auswerten und damit die Grundvoraussetzung einer sattelfesten Beweisführung im Strafverfahren gewährleisten. "Uns fehlen Spezialisten an allen Ecken und Kanten, eine nur schleppend beginnende Fortbildung für "Neueinsteiger" in den Kriminalkommissariaten hilft nicht weiter. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen wurden ins "kalte Wasser" geworfen, eine fachorientierte Aus- und Fortbildung wurde ihnen vorenthalten."
Die Initiative der Landesregierung, die DNA auszuweiten, erkennungsdienstliche Behandlungen zu steigern, die Tatortarbeit und die Spurensicherung zu verbessern, sowie die Bearbeitung von Intensivtätern zu qualifizieren, begrüßt der BDK ausdrücklich. Dabei sollten die Behörden, die offensichtlich immer noch nicht begriffen haben, was zielführend ist, an die kürzere Leine genommen werden. Es darf nicht sein, dass es von der Leistungsfähigkeit und der Leistungsbereitschaft von Behördenleitern abhängig ist, ob die Bürgerinnen und Bürgern in sicheren oder unsicheren Regionen leben.
Betrug/Internetkriminalität (Steigerung um bis zu 20%)
Das Internet mit allen seinen Vorteilen für unsere heutige "Wissensgesellschaft" ist nicht neu. Umso erstaunlicher, dass Politik und die "Vordenker" in der Polizei die Entwicklung auch krimineller Nutzung des Netzes mehr oder weniger verschlafen haben. "Wir gehen offensichtlich nicht mehr analytisch an Straftaten und Straftäter heran, so hätte vor Jahren schon deutlich werden müssen, dass das Internet auch zum Tummelplatz für Kriminelle wird. Kinderpornografie, Erpressungen, Geldwäsche, Computersobatage und natürlich auch reichliche Betrugshandlungen sowie ein riesiger Hehlermarkt kennzeichnen somit auch das Bild des Internets, erläuterte Albishausen in Düsseldorf. "Auktionshäuser" wie beispielsweise Ebay mit einer Vielzahl anonymer Nutzer bleiben weitgehend unbeachtet. Mangels einer Zentralstelle, die Fahndung im Netz betreiben sollte, finden Wohnungs- und Autoaufbrecher immer noch zunehmend einen ungestörten Raum, ihre Beute gewinnbringend "an den Kunden" bringen zu können. Dabei müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich ein großer Teil der Eigentumskriminalität fast "marktwirtschaftlich" abspielt. "Angebot und Nachfrage regeln die Fallzahlen und die Gewinne", stellte Albishausen fest.
Verlässliche Zahlen über die Nutzung des Internets für Straftaten liegen mangels differenzierter Erhebungen im Rahmen der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht vor. Dennoch wissen wir aus der Praxis, dass zunehmend Computer von Straftätern zur Begehung von Straftaten genutzt werden. Nur wenige Mitarbeiter stehen den Behörden zur Auswertung umfangreicher Daten auf sichergestellten Festplatten zur Verfügung. In einigen Behörden betragen die Rückstände bereits mehr als ein Jahr. Der Mangel an zeitnaher Beweisführung wirkt sich natürlich auch auf die Strafverfahren und deren Ausgänge negativ aus. Verfahrenseinstellungen mangels zeitnaher Überführung sind die Folge.
"Während sich Straftäter die Begehung der Straftaten über das Internet immer leichter machen, beschäftigt sich die Polizei zunehmend mit sich selbst. Die mühsame Einführung einer flächendeckenden Vernetzung der Polizei und die damit verbundene Softwareentwicklung, die schon seit geraumer Zeit wenig "anwenderfreundlich" ist, bindet Personal und Zeit, die uns bei der Kriminalitätsbekämpfung fehlen. Zunehmend verbringen Beamtinnen und Beamte mehr Zeit vor dem PC als am Tatort und mit dem Täter", skizziert der BDK-Landesvorsitzende die von vielen Mitarbeitern als "Flickenteppich" empfundene ADV-Topografie in Nordrhein-Westfalen abschließend in Düsseldorf.
Für Rückfragen: 0173/5437253 Landesvorsitzender Wilfried Albishausen
0175/5211717 Stellv. Landesvorsitzender Rolf Jaeger
0172/8837250 Stellv. Landesvorsitzender Rüdiger Thust