Offener Brief zur aktuellen Lage der Kripo in Aachen

(Foto: © Wilfried Albishausen)

(Foto: © Wilfried Albishausen)

Das Bild zeigt eine "zerbrochene" Kriminaldienstmarke - Symbol für die Zerstörung einer gut funktionierenden Kriminalpolizei

Aachen, den 02.08.2016

Offener Brief

An die

Landtagsabgeordneten des Landes NRW

Betr.: Aktuelle Situation der Kriminalpolizei in Aachen

Meine sehr geehrten Damen und Herren Landtagsabgeordnete,

ich wende mich heute mit diesem Brief an Sie, weil ich derzeit keine andere Möglichkeit sehe, auf die derzeitige Situation bei der Polizei, insbesondere der Kriminalpolizei, hinzuweisen.

Ich bin seit knapp 42 Jahren Polizeibeamter und davon seit ca. 35 Jahren im Bereich der Kriminalpolizei tätig. Seit vielen Jahren bin ich auch gewerkschaftlich im Bund Deutscher Kriminalbeamter tätig. Wie viele meiner Kollegen habe ich meinen Beruf nie nur als Job, sondern als eine Art Berufung empfunden, der Beruf des Polizeibeamten ist nun mal kein Beruf wie jeder andere. Meine Kernarbeit hat mir in der ganzen Zeit mit Höhen und Tiefen immer Spaß gemacht und macht es eigentlich heute immer noch.

Mit großer Besorgnis sehe ich jedoch die Entwicklung der letzten Jahre und vor allem die aktuelle politische Entwicklung. Die letzten 10 bis 15 Jahre waren von einer immer liberaleren Einstellung und durch immer weitere datenschutzrechtliche Bestimmungen geprägt, die ein zielorientiertes rechtsstaatliches Arbeiten für die Polizei in vielen Bereichen stark erschwert und teilweise sogar unmöglich gemacht haben. Gleichzeitig erhöhten sich der Umfang und die Anforderungen an die Ermittlungstätigkeit in dieser Zeit erheblich. Die langjährig betriebene Personalpolitik hat bereits zu einer dramatischen Überalterung der Kriminalpolizei geführt und wird zeitnah auch zu einer deutlichen Reduzierung des eingesetzten Personals führen.

Erst in jüngster Zeit, geprägt durch die Flüchtlingsproblematik und die fortschreitende Anzahl der terroristischen Anschläge, scheint ein Umdenken stattzufinden und eine Forderung nach mehr Staat und damit auch mehr Polizei zu entstehen. Meiner Meinung nach ist dies auch nötig um auf demokratischem Weg den Rechtsstaat zu schützen.

Ich möchte hier exemplarisch nur zwei Punkte darstellen, um die falsche liberale Entwicklung der letzten Jahre aufzuzeigen:

Jeder normaldenkende Bürger geht davon aus, dass von jedem potentiellen Straftäter, dem eine negative Zukunftsprognose ausgestellt wird, Fingerabdrücke und DNA abgenommen werden und auch sofort Lichtbilder von ihm gefertigt werden, um bei zukünftigen Straftaten eine zeitnahe Aufklärung zu ermöglichen. Nun versuchen sie diesen Bürgern einmal klar zu machen, dass bei einer Weigerung des Beschuldigten ein langwieriges Verwaltungsstreitverfahren in Gang gesetzt wird und in dieser Zeit dieser Straftäter völlig unerkannt weitere Straftaten begehen kann. Es wird keiner erwarten und auch keiner verstehen. Hierbei sollte auch nicht unterschlagen werden, dass gerade aktuell potentielle Attentäter zunächst nur Kleindelikte begangen haben und damit genau in diese Problematik fallen.

Es ist auch kaum erklärbar, dass wir uns selber als Polizei so eingrenzen, dass man zum Beispiel für eine interne Fahndung nach einer bisher unbekannten Person eine Anordnung der Staatsanwaltschaft benötigt. Das heißt, sie wollen im Intranet (internes Internet der Polizei) als Kriminalbeamter einem anderen Polizeibeamten ein Fahndungsfoto zeigen und benötigen dazu eine Anordnung einer weiteren staatlichen Instanz. In meinen Augen zeigt dieses kleine Beispiel die ganze Schizophrenie der derzeitigen Situation.

Auf die Diskussion bezüglich der Vorratsdatenspeicherung möchte ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht eingehen.

Wenn man den Aussagen unseres Innenministers in den letzten Wochen glaubt, so sind wir auf Grund des 15 Punkte Programms unserer Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hervorragend aufgestellt. Wenn man jedoch in die Tiefe geht, stellt man fest, dass sich dahinter teilweise eine Mogelpackung verbirgt. Die erhöhten Einstellungszahlen kommen erst in drei Jahren zum Tragen, es wurden aber jetzt schon zusätzliche Einheiten geschaffen, die von den zur Zeit vorhandenen Polizeibeamten getragen werden müssen. Die zusätzlich eingestellten Regierungsbeschäftigten sind noch nicht da, die Stellen sind für zwei Jahre befristet und niemand kann überhaupt sagen, ob man die richtigen Bewerber unter diesen Voraussetzungen für die Polizei findet. Von einer Entlastung kann in naher Zukunft noch nicht gesprochen werden.

Die freiwillige Arbeitszeitverlängerung wird von nur wenigen Kollegen angenommen, dafür steigt die Anzahl derjenigen, die früher in Pension gehen, weil sie dem Stress nicht mehr gewachsen sind.

Es wurden Schwerpunktbehörden benannt, die bei der Kriminalitätsbekämpfung unterstützt werden sollten (Aachen ist übrigens eine davon). Gleichzeitig wird an diese Behörden ein Erlass versandt, der den Polizeipräsidenten neuerdings vorschreibt, wie sie ihr Personal im Wachdienst und der Kriminalitätsbekämpfung zu verteilen haben. Dies wird in Aachen in den nächsten Jahren zu einem Personalabbau im Bereich der Kriminalpolizei von mehr als 5% führen. Was dies bei der derzeitigen sehr hohen Arbeitsbelastung und einer um ca. 6 % höheren Krankheitsquote als in anderen Arbeitsbereichen der Polizei bei der Aachener Kriminalpolizei für Konsequenzen hat, kann man noch nicht mal erahnen.

Allgemein scheint man der Meinung zu sein, dass man zur Kriminalitätsbekämpfung nur genug Polizeibeamte auf die Straße schicken muss. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigt aber, dass damit alleine keine effektive Bekämpfung der Kriminalität möglich ist.

Ein wesentlicher Teil der Kriminalitätsbekämpfung liegt immer noch in einer guten Ermittlungsarbeit, dazu müssen aber die notwendigen Ressourcen und auch die richtigen Werkzeuge vorhanden sein. Dazu kommt eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten. Schon heute wird in manchen Bereichen die Kriminalität nur noch verwaltet und nicht mehr durch Ermittlungsarbeit qualitativ hochwertig bearbeitet. Ein Kriminalbeamter der im Jahr zwischen 400 und 500 Verfahren bearbeiten muss, kann einfach nicht in der Lage sein, jedem Hinweis nachzugehen.

Wenn sich an der derzeitigen Situation nichts ändert und nicht nach gemeinsamen Lösungen gesucht wird, werden die Kriminalbeamten in der Zukunft nicht mehr in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Kurt Bültmann

Vorsitzender BV Aachen

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